Schwingungen an Lautsprechergehäusen


Anregung von Biegeschwingungen bei Lautsprechergehäusen
 
und

daraus resultierende unerwünschte Schallabstrahlung



© Oliver Mertineit




Lautspechergehäuse und Plattenresonanzen

Es gibt zwei Mechanismen, über die resonante Plattenschwingungen in Form von Biegewellen an Lautsprechergehäusen angeregt werden. Diese Anregungsmechanismen betreffen Gehäuse von Tieftönern, Tief-/Mitteltönern aber auch reine Mitteltongehäuse:
Auch bei der direkten Form der Schwingungsanregung sind die resultierenden Bewegungsamplituden des Lautsprecherkorbes und der Gehäusewände bei den meisten Frequenzen gering, weil die Masse des Korbes und des damit verbundenen Magneten mit Polplatte und Polkern sehr viel höher ist als die Masse der mit gleicher Kraft in entgegengesetzter Richtung beschleunigten Membran. Es können jedoch bei bestimmten Frequenzen Resonanzen des aus Korb und Gehäusewänden gebildeten schwingfähigen Systems angeregt werden. Tritt ein solcher resonanter Zustand ein, so wachsen die resultierenden Bewegungsamplituden der Gehäusewände deutlich an. Es geraten dann potentiell große Flächen ins Schwingen und können unerwünscht Schall in die Umgebung des Gehäuses abstrahlen.

Komponenten wie Chassiskorb und Gehäusewände bilden gemeinsam ein für Körperschall - hier hauptsächlich für Biegewellen - leitfähiges mechanisches Netzwerk. Dieses Netzwerk weist typischerweise Eigenfrequenzen (Resonanzen, Eigenmoden) auf, an denen es zu verstärkter und unerwünschter Abstrahlung von Schall über die Oberfläche des Lautsprechergehäuses kommt, wenn keine entgegenwirkenden konstruktiven Maßnahmen getroffen werden.


Anmerkungen zum Luftkörper im Lautsprechergehäuse

Auch bei einer gedachten völlig schwingungsfreien Gehäuseoberfläche und einer ideal kolbenförmigen Bewegung der Lautsprechermembran können Resonanzen des Luftkörpers im Gehäuse in Form der o.g. Pfeifenresonanzen und komplexeren Eigenmoden angeregt werden. Bei ungünstiger räumlicher Verteilung der Druckmaxima stehender Luftschallwellen im Gehäuse werden diese auch durch die Membran selbst mit abgestrahlt: Die Membran eines Lautsprechers ist eine sehr schalldurchlässige Fläche im LS-Gehäuse.

Ebenso offenkundig ist, das Resonanzen des Luftkörpers potentiell mit den Plattenschwingungen üblicher Gehäuse interagieren, d.h. Energie mit diesen austauschen. Es findet eine Energieübertragung zwischen Luftkörperresonanzen und Plattenresonanzen statt, welche in beiden Richtungen erfolgen kann. Resonanzen des Luftkörpers zu vermeiden bzw. stark zu bedämpen, ist daher gleich aus zwei Gründen sehr angeraten.

Die Bedämpfung des im Gehäuse eingeschlossenen Luftkörpers trägt also dazu bei, unerwünschte resonante Schallabstrahlung eines Gehäuses nach außen zu verringern. Das gilt zumindest für den Frequenzbereich, innerhalb dessen der Luftkörper selbst aufgrund seiner Abmessungen resonieren kann.

Selbst wenn die Resonanzen des eingeschlossenen Luftkörpers so stark bedämpft werden, daß sie nicht mehr in Erscheinung treten, bleibt jedoch

Allgemeine Herangehensweise für Lautsprechergehäuse mit geringer unerwünschter Schallabstrahlung


Auf dem Weg zu einem Gehäuse mit "geringer unerwünschter Abstrahlung", kommt man strategisch u.a. auf ein Gehäuse mit "geringer Schwingungsamplitude der Wände". Beides ist jedoch nicht zwingend dasselbe:

Wenn sich bei einer angenommenen Eigenmode die Gehäuseoberfläche in gegenphasig schwingende Zonen etwa gleicher Fläche aufteilen würde und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Biegewellen auf dem Gehäuse dabei sehr viel kleiner als diejenige von Luftschall wäre, dann würde das Gehäuse zwar - mittels Sensoren nachweisbar - in sich schwingen, jedoch nur relativ wenig Schall in die weitere Umgebung abstrahlen. Das liegt darin begründet, daß sich Zonen von Überdruck und Unterdruck der Luft über der Gehäuseoberfläche ausgleichen könnten, bevor sie als Schall in die weitere Umgebung des Lautsprechergehäuses abgestrahlt werden.

Dieses Szenario entspräche anschaulich einer Art "Weichgummigehäuse" mit sehr langsamer Ausbreitung von Biegewellen. Ein solches Gehäuse wäre aber als Tieftongehäuse für Lautsprecher mangels erforderlicher Steifigkeit untauglich.

Die Schalldurchlässigkeit von Wänden wird also maßgeblich durch deren sog. Koinzidenzfrequenz mitbestimmt. An der Koinzidenzfrequenz breiten sich Biegewellen auf einer Wand ebenso schnell aus wie Schall in Luft. In der Nähe dieser Frequenz und darüber können Biegeschwingungen sehr effizient Schall abstrahlen, was unerwünscht ist. Somit ist die Strategie für ein Gehäuse mit geringer akustischer Abstrahlung immer von dem Frequenzbereich abhängig, für den es eingesetzt werden soll. Ebenso spielen die gewünschten Abmessungen des Gehäuses selbst eine entscheidende Rolle.

Das Auslegungsproblem ist für Gehäuse, welche innerhalb eines großen Frequenzbandes betrieben werden sollen, schwieriger zu lösen: Es muss für jeden konkreten Anwendungsfall ein günstiger "Mix" aus Steifigkeit, Masse und Eigendämpfung der Wände des Gehäuses gefunden werden.


Konventionelle Lösungen aus konkreten Anwendungsfällen

Subwoofer-Gehäuse betrieben bis z.B. ca. 100Hz:
Erwartbares Resultat: Die Eigenfrequenzen der Wände (die Grundmoden der Plattenschwingungen) können z.B. bis ca. 200Hz "hochgetrieben" werden. Die Eigenfrequenzen können bei konsequenter Anwendung dieser Bauweise damit sogar oberhalb des Übertragungsbereiches eines typischen Subwoofers zu liegen kommen. Man hätte das Problem allein über die Steifigkeit der Wände gelöst. Jedoch ist ohne weitere Dämpfung der Gehäusewände mit ausgeprägten Eigenresonanzen zu rechnen, welche je nach Anwendung noch im Übernahmebereich der Frequenzweiche liegen könnten. Vgl. hierzu auch die Bilder unten.


Tief-Mitteltongehäuse betrieben bis ca 2Khz:

Würden wir das oben beschriebene Subwoofer-Gehäuse jetzt entgegen seiner Bestimmung als Tief-/Mitteltongehäuse einsetzen, dann erwartet uns eine unangenehme Überaschung: Die unerwünschte Abstrahlung im Tiefbass ist zwar gering (durch die o.g. hohe Steifigkeit der Wände), aber wir haben die Koinzidenzfrequenz durch hohe Steifigkeit und gleichzeitig geringe Massebelegung der Wände stark herabgesetzt: Die Biegewellen breiten sich mit relativ hoher Geschwindigkeit auf dem Gehäuse aus. Das ist auch ein typischer Effekt, wenn lediglich die Wandstärke eines Gehäuses bei konventionellem Baumaterial erhöht wird, oder wenn lediglich Versteifungen der Wände eingebaut werden. Auch in einer Dimension gestreckte Bauformen können ähnlich wie Versteifungen wirken.

Bei dieser Herangehensweise dominiert der Zuwachs an Steifigkeit die "Massebelegung" der Wände. Dadurch sinkt die Koinzidenzfrequenz und die Wandresonanzen, welche nun zugleich im Frequenzbereich höher liegen als in einem unversteiften Gehäuse, werden nun um so effizienter abgestrahlt und können sehr störend in Erscheinung treten.

Hier ist "das Rennen" um ein Gehäuse mit geringer Schallabstrahlung also allein über die Steifigkeit der Wände nicht mehr zu gewinnen. Mehr noch: Wir müssen einsehen, daß wir kein breitbandig schwingungsfreies Gehäuse bauen können und müssen uns stattdessen auf ein Gehäuse mit möglichst geringer Schallabstrahlung konzentrieren: "Wenn es schon mitschwingt, soll es wenigstens nicht übermäßig abstrahlen." Vorhandene Steifigkeit der Wände wäre hier also durch entsprechende Massebelegung aber auch Eigendämpfung zu kompensieren. Dadurch würde die Koinzidenzfrequenz nicht unnötig herabgesetzt und die Massehemmung der Wand für den Mitteltonbereich erhöht. So kommt man auf Kompositbauweisen aus mehreren Materialien, mit denen man Strategien verfolgen kann, die sonst im Bereich der Körperschalldämmung angewendet werden.


Eigenmode eines Subwoofergehäuses als Chladni'sche Klangfigur sichtbar gemacht

Die beiden hier gezeigten Testgehäuse von Subwoofern aus dem Jahr 2008 wurden gemäß der oben beschriebenen Methode durch kompakte Größe und Formgebung der Wände so gestaltet, daß die niedrigsten Eigenmoden des Gehäuses erst im Frequenzbereich oberhalb 210Hz auftreten. Die Subwoofer sind damit in ihrem Übertragungsbereich von 30Hz ... 80Hz und dem daran anschließenden Übernahmebereich der Frequenzweiche frei von jeglichen Eigenmoden des Gehäuses oder des darin eingeschlossenen Luftköpers.

Die direkte Abbildung von Knotenlinien schwingender Oberflächen mit dem über 200 Jahre alten Verfahren nach Ernst Chladni funktioniert bei Lautsprechergehäusen nur im Bereich der Grundmoden, wenn dem Lautsprecher sehr hohe Leistung zugeführt wird und die Frequenz der Mode bereits bekannt ist. Da bei Sinustönen im oberen Bassbereich der Membranhub relativ gering ausfällt, ist damit auch die Kühlung der Schwingspule durch die Ventilationsöffnungen geringer als im Normalbetrieb des Lautsprechers. Ohne Kontrolle der Leistungszufuhr der Schwingspule sollte diese Methode daher nicht nachgeahmt werden.

Sensiblere Verfahren wie Beschleunigungsaufnehmer oder Laser-Vibrometer bieten bessere Möglichkeiten, auch die Amplituden von Moden höherer Ordnung quantitativ zu erfassen. Das historische Verfahren ist jedoch sehr instruktiv und bildet die Knotenlinien auf realen Objekten mit hoher Umrissschärfe ab.



Sichtbar gemachte Eigenmode an zwei Lautsprechergehäusen

Bild 1 zeigt die beiden Subwoofergehäuse, welche sich mit der Stirnseite, auf der die Tieftonchassis montiert sind, gegenüberstehen. Die Tieftöner sind daher im Bild nicht zu sehen und hinter der Trennfuge zwischen beiden Gehäusen verdeckt. Die Tieftöner werden für den Versuch in Gegenphase betrieben, so daß direkt von den Membranen kein Schalldruck in die Umgebung abgestrahlt wird.



Sichtbar gemachte Eigenmode an zwei Lautsprechergehäusen

Bild 2 zeigt Grieskörnchen, welche auf die Oberseite beider Subwoofergehäuse gestreut wurden.



Sichtbar gemachte Eigenmode an zwei Lautsprechergehäusen

Bild 3 zeigt die Grieskörnchen, nachdem sie manuell etwas auf der Oberfläche verteilt wurden.



Sichtbar gemachte Eigenmode an zwei Lautsprechergehäusen

Bild 4 zeigt das sich ergebende Schwingungsbild, nachdem mittels Tongenerator die tiefste Eigenmode der gezeigten Gehäuse bei ca. 220Hz angeregt wurde. Dazu wurden beide Tieftöner bei ca. 50% ihrer Nennbelastbarkeit betrieben. Das Bild zeigt die Verteilung der Grieskörnchen als nach ca. 5 Sekunden der Ton abgeschaltet wurde.



Sichtbar gemachte Eigenmode an zwei Lautsprechergehäusen

Bild 5 zeigt die Verteilung der Grieskörnchen nachdem der 220Hz Ton für weitere ca. 5 Sekunden eingeschaltet wurde. Sichtbar ist eine Knotenlinie um die Schallwand herum, die in ähnlicher Form auch auf den Seitenteilen des Gehäuses zu beobachten wäre. Es handelt sich im Wesentlichen um eine "Glockenmode", bei der die Schallwand des Gehäuses mit daran montiertem Lautsprecherkorb - hier unsichtbar hinter der "Trennfuge" - in Gegenphase zu den anderen Wänden (Boden, Decke, Seitenwangen) des Gehäuses schwingt. Die von der Schallwand - der Stirnseite - aus gesehen in die Tiefe gestreckte Bauform des Gehäuses mit sehr kleiner und dadurch biegesteifer Schallwand ermöglicht es, diese Glockenmode auf eine Frequenz deutlich oberhalb des Übertragungsbereiches des Subwoofers zu legen.